Orientierung beim Wandern – Ohne technische Hilfsmittel

Niemand rechnet wirklich damit, die Orientierung beim Wandern oder Trekking zu verlieren. Und wenn Du es bemerkst und Dein Smartphone dann auch kein Empfang mehr hat, hast Du ein Problem.

Jetzt kommt es drauf an: Hast Du die notwendigen Techniken und Strategien zur Hand, die Dich sicher nach Hause bringen können? Kannst Du die Ruhe bewahren und auf Deine Fähigkeiten vertrauen?

Welche Möglichkeiten der Orientierung beim Wandern oder Trekking Dir ganz ohne technische Hilfsmittel zur Verfügung stehen, erfährst Du in diesem Gastbeitrag.


© Timo Wehrmann

Hinweis: Dies ist ein Gastbeitrag von Timo Wehrmann. Timo ist Outdoor-Blogger und Freelancer. Auf seinem Blog „Abenteurer Outdoor“ schreibt er über das Wandern, Survival und seine Reise zu Fuß durch Neuseeland. 


Wenn Du in den Nationalparks dieser Welt auf Wanderung gehst, solltest Du im besten Fall einige einfache Grundkenntnisse der Navigation beherrschen, um nicht komplett von der Funktionalität Deines Smartphones oder GPS-Gerät abhängig zu sein.

Auch wenn Wanderapps Dir in neun von zehn Fällen großartige Dienste leisten, braucht das Smartphone nur mal den Empfang verlieren oder bei einem Sturz kaputt gehen.

© Timo Wehrmann

Egal ob Du das Mobilfunknetz verlierst, die Batterie Dich im Stich lässt oder ein Sturz der Technik den Garaus macht – mit etwas Logik, einem kühlen Kopf und ein paar einfachen Prinzipien, kannst Du Dich Wandern auch ohne Technik orientieren und findest sicher wieder nach Hause.

Abgesehen davon macht das Erlernen dieser Fähigkeiten durchaus Spaß: Ein Orientierungslauf im heimischen Wald ist aufregend!

Mehr als einmal bin ich auf diese Weise auf neue Pfade gestoßen und konnte so das vermeintlich bekannte Trail-Netzwerk von einer neuen Perspektive kennenlernen.

Methoden zur Orientierung in der Natur in der Übersicht

Orientierung beim Wandern

© Timo Wehrmann

Methoden der Orientierung in der Natur – Ein Blick in die Geschichte der Navigation

Was haben James Cook, Marco Polo und Christopher Kolumbus gemeinsam? Abgesehen davon, dass Kolumbus nach Indien wollte, jedoch dann Amerika entdeckte waren alle drei Meister der Navigation. Selbst ältere Zivilisationen wie etwa die der Ägypter und Sumärer begaben sich auf weite Schiffsreisen um Handel zu betreiben und unbekannte Regionen zu erkunden.

Und bevor in China um das Jahr 1000 n. Chr. herum die Kompassnadel erstmals zum Einsatz kam (1), hat sich ein weiteres legendäres Seefahrervolk auf seinen weitreichenden Schiffsfahrten erfolgreich anhand der Sonne und des Polarsterns orientiert – die Wikinger (2).

Den Fakt, dass die Sonne täglich im Osten aufgeht und im Westen untergeht machten sie sich zu nutze um so ihre Ausrichtung relativ zu den Himmelsrichtungen zu bestimmen. Bei Nacht erfüllten Fixsterne (also Sterne, die ihre Position am Nachthimmel scheinbar nicht verändern) dieselbe Funktion.

Bei Schiffsreisen in Küstennähe kamen markante Punkte wie Berge, Klippen, Städte, Türme oder Flussmündungen (sogenannte Landmarken) zum Einsatz. Diese Techniken haben sich lange bewährt und zu großen Entdeckungen geführt. Heute hat das GPS (Global Positioning System) diese Methoden größtenteils ersetzt. Doch als Wanderer und Outdoor-Begeisterte können wir von den alten Entdeckern und Seefahrern lernen und sind so im Notfall (wenn die Technik den Geist aufgibt) gewappnet.

Die Vorbereitung – Mache Dich mit dem Terrain vertraut

Erfolgreiche Orientierung beim Wandern in der Natur beginnt zuhause bei der Vorbereitung auf die nächste Tour. Nur wenn Du Dir bei der Planung ein genaues Bild von der entsprechenden Region machst, kannst Du letztlich von den ursprünglichen Techniken der Navigation profitieren.

Hast Du Dich für eine Route entschieden, schnapp Dir eine Karte und nimm das Terrain genau unter die Lupe. Hierfür kannst Du Wanderkarten, Google Maps oder Wanderapps wie beispielsweise Komoot oder Outdooractive verwenden.

TIPP: Um auf Nummer sicher zu gehen, ist es empfehlenswert, die Planung mit einer traditionellen Karte durchzuführen und diese dann auf der Tour bei Dir zu tragen. Wie mit so vielen Dingen gilt auch hier: Übung macht den Meister! Je öfter das Navigieren beim Wandern in der Natur trainiert wird, desto schneller und genauer gelingt die Positionsbestimmung und das Lesen einer Wanderkarte.

Wichtige Merkmale sind Landmarken (natürliche: Flüsse, Berge und Seen / künstliche: Türme, Brücken, Burgen) sowie nächstgelegene Straßen und Ortschaften. Markiere alle mit einem farbigen Stift und trage zusätzlich wichtige Entfernungen ein.

Beispiel:

  • Landmarke 1 ist der höchste Berg in der Region und etwa 25 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt. Die Stadt befindet sich östlich von Landmarke 1.
  • Landmarke 2 ist ein Fluss. Von Osten nach Westen fließend bietet er mir eine Achse zur Orientierung und Trinkwasser für den Notfall.

Je mehr Informationen Du im Vorfeld sammelst, desto genauer kannst Du später beim Wandern navigieren. Wenn Du keine Karte bei Dir trägst, solltest Du versuchen, Dir die wichtigsten Merkmale und Landmarken genau einzuprägen. Die wichtigste Frage ist: In welche Himmelsrichtung muss ich wandern, um in eine Ortschaft oder zu einer viel-befahrenen Straße zu gelangen?

Orientierung beim Wandern mit Hilfe der Himmelskörper

Nun komme ich zu den eigentlichen Techniken der Orientierung beim Wandern oder Trekking in der Natur. Die folgenden Methoden erlauben es uns bei Tag und Nacht unsere Ausrichtung relativ zu den Himmelsrichtungen festzustellen. Hierbei machen wir uns die Eigenschaften von Fixsternen wie dem Polarstern und den Sonnenstand zu nutze.

Navigation anhand der Sonne

Wenn wir uns erfolgreich beim Wandern oder Trekking in der Wildnis orientieren wollen, dann müssen wir uns die konstanten, regelmäßigen Eigenschaften der Natur zu nutze machen. Eine dieser Konstanten ist die Position der Sonne am Himmel (auch Sonnenstand genannt). Egal wo wir uns befinden, der tägliche Sonnenaufgang ist im Osten und Sonnenuntergang im Westen.

Ausnahmen bilden Nord- und Südpol: Am Nordpol geht die Sonne bloß einmal im Jahr auf, es herrscht Polartag. Und am Südpol ist die Sonne während des Polawinters nicht zu sehen (3).

Wir gehen aber mal davon aus, dass der Großteil unserer Wandertouren nicht in diesen Gebieten stattfinden werden ;-).

Merksatz: Im Osten geht die Sonne auf, im Süden hält sie Mittagslauf, im Westen will sie untergehen, im Norden ist sie nie zu sehen.

Um uns diese Regel nun zu nutze zu machen, können wir die Bahn der Sonne mit Hilfe eines Schattens veranschaulichen. Das Ergebnis ist ein Kompass! Und das geht ganz einfach!

Alles was Du hierfür brauchst, sind ein möglichst gerader Stock, flacher Untergrund, ein paar Steine und etwas Geduld. Stelle sicher, dass Du diese Methode vor 11 Uhr morgens oder nach 14 Uhr am Nachmittag anwendest. Nur so ist der Verlauf der Sonnenbahn genau am Schatten abzulesen.

Der Sonnenkompass

Benötigte Materialien:

  • Ein gerader Ast / Zweig
  • Flacher Untergrund auf dem ein Schatten gut erkennbar ist
  • Zwei Steine zur Markierung

Schritt 1

Orientierung beim Wandern Mithilfe des Sonnenkompass

© Timo Wehrmann

Stecke den Ast aufrecht, in einem 90 Grad Winkel in den flachen Boden und stelle sicher, dass er stabil im Untergrund sitzt.

Jegliche Bewegung im nächsten Schritt durch Wind oder sonstiges würde das Ergebnis verfälschen und uns letztlich in die falsche Richtung führen.

Schritt 2

Orientierung beim Wandern Mithilfe des Sonnenkompass

© Timo Wehrmann

Markiere die Spitze des Schattens mit einem Stein. Das ist der erste Punkt unserer Messung. Hier kommt die Geduld in Spiel. Warte 20 bis 30 Minuten.

Schritt 3

Orientierung beim Wandern Mithilfe des Sonnenkompass

© Timo Wehrmann

Der Schatten ist in der Zwischenzeit mit der Sonne weitergewandert. Markiere nun erneut die Spitze des Schattens mit einem Stein. Das ist der zweite Messpunkt.

Schritt 4

Ziehe jetzt eine gerade Linie zwischen den beiden Steinen. Diese Achse verläuft von Westen nach Osten. (Der erste Stein markiert Westen, der zweite Stein Osten)

Orientierung beim Wandern Mithilfe des Schattenkompass

© Timo Wehrmann

Ziehe jetzt eine weitere Linie im rechten Winkel durch die Mitte der ersten Linie. Diese verläuft von Norden nach Süden. (Im Uhrzeigersinn: Nord – Osten – Süden – Westen)

Wenn wir bei der Planung festgestellt haben, dass die nächste Ortschaft im Osten liegt, können wir uns an diesem Kompass orientieren und uns auf den Weg machen. Um sicher zu stellen, dass wir diese Richtung halten, können wir diese Technik alle paar Stunden wiederholen.

Navigation anhand des Nachthimmels

Orientierung beim Wandern Mithilfe des NachthimmelsEine weitere Konstante in der Natur hat der Nachthimmel zu bieten. Um anhand des Firmaments beim Wandern oder Trekking zu navigieren, können wir uns nach Sternen ausrichten, die ihre Position am Nachthimmel nicht verändern.

Diese Sterne nennt man Fixsterne. Mit dem bloßen Auge sind etwa 3000-6000 Fixsterne am Nachthimmel zu erkennen (4) – Diese Sterne bilden die uns bekannten Sternenkonstellationen.

Der Polarstern zeigt Norden an

Ein Fixstern, der in der Vergangenheit oft zur Navigation in der Schifffahrt zum Einsatz kam, ist der Polarstern. Von der nördlichen Erdhalbkugel betrachtet steht er immer über dem Nordpol. Daher wird er unter anderem auch Nordstern genannt.

Richte dich zur Orientierung zum Polarstern. Denke dir vom Stern eine gerade Linie hinunter zum Horizont. Du blickst jetzt nach Norden. Drehst du dich im Uhrzeigersinn um 90 Grad, blickst du nach Osten und so weiter.

(Tatsächlich ist der Polarstern dem Himmelsnordpol sehr nahe. Doch auch wenn er nicht exakt über dem Nordpol liegt, ist die Differenz so klein, dass sie für die Navigation in der Natur vernachlässigt werden kann).

Den Polarstern am Nachthimmel finden

Orientierung beim Wandern Mithilfe des Polarsterns

© Timo Wehrmann

Der Polarstern lässt sich glücklicherweise sehr einfach am Nachthimmel ausfindig machen (Einer der Gründe für seine Beliebtheit in der Navigation).

Um die Position des Polarsterns zu identifizieren, hilft es, zuerst nach dem Sternbild des großen Wagens Ausschau zu halten. Haben wir den großen Wagen gefunden, müssen wir die “hintere Achse” des Wagens fünf mal verlängern (zur Veranschauung siehe Bild unten). So landen wir direkt beim Polarstern. Er ist der hellste Stern in seiner direkten Umgebung.

Auch hier möchte ich wieder auf die Wichtigkeit der Planung hinweisen. Nur wenn wir wissen, in welcher Himmelsrichtung unser Ziel liegt, können wir mit diesen Techniken effektiv beim Wandern navigieren.

Orientierung mit Hilfe von Landmarken

Als Landmarken bezeichnet man gut sichtbare Objekte in der Landschaft. Wir unterscheiden zwischen natürlichen und künstlichen Landmarken.

Beispiele natürlicher Landmarken: Berge, einzeln stehende Bäume, Flüsse, Täler, Klippen, Flussmündungen

Beispiele künstlicher Landmarken: Türme, Burgen, Denkmäler, Ortschaften, Hütten, Wege und Wegkreuzungen, Brücken.

Wie zu Anfang erwähnt, macht es Sinn, sich vor der Wanderung die markantesten Landmarken im entsprechenden Gebiet einzuprägen oder auf einer Karte zu markieren. Die Navigation mittels Landmarken beim Wandern ist vor allem dann hilfreich, wenn der Himmel von Wolken bedeckt ist und es somit nicht möglich ist, die Position der Sonne bzw. der Sterne genau zu identifizieren.

Mit der Hilfe von Landmarken den Weg nach hause finden

Orientierung beim Wandern anhand von LandmarkenUm sich erfolgreich mit Hilfe dieser Methode beim Wandern orientieren zu können, müssen die markierten Landmarken in Relation zueinander betrachtet werden.

Wenn wir eine Idee von den Entfernungen zwischen den Landmarken und ihren Verhältnissen zueinander haben, können wir diese Informationen nutzen, um uns beim Wandern oder Trekking zu orientieren und den Weg zurück in die Zivilisation zu finden. Um dieses Prinzip zu verdeutlichen, hier ein Beispiel:

Angenommen Du markierst Dir folgende Landmarken:

  • einen Berg (am nördlichen Ende des Gebietes in dem Du Wandern wirst)
  • einen Fluss (der vom Fuße des Berges in Richtung Süden fließt)
  • eine Brücke (die im Zentrum des Gebietes den Fluss kreuzt)
  • eine Ortschaft (die nahe des östlichen Rands des Gebietes liegt)

Dann könnte man die Verhältnisse der Landmarken zueinander folgendermaßen beschreiben:

Der Fluss teilt das Gebiet in eine westliche und eine östliche Hälfte und hat seinen Ursprung am Fuße des Berges im Norden. Die Brücke liegt im Zentrum des Gebietes und bietet eine Möglichkeit, den Fluss zu überqueren. Östlich der Brücke liegt die nächste Ortschaft.

Sollten wir uns jetzt im Laufe der Wanderung verirren oder komplett vom Weg abkommen, können wir nach unseren Landmarken Ausschau halten. In diesem Beispiel wäre der Berg wahrscheinlich am einfachsten zu finden.

Haben wir den Berg gefunden, wissen wir, das wir irgendwo am Fuße des Berges auf den Fluss stoßen werden. Von hier aus müssen wir bloß dem Fluss folgen, bis wir zur Brücke gelangen. Von der Brücke können wir letztlich dem Weg nach Osten in die Ortschaft folgen. 

Hierbei handelt es sich wie gesagt um ein stark vereinfachtes Beispiel. Doch das Prinzip sollte daraus hervorgehen. Wenn Du in der Natur beim Wandern oder Trekking die Orientierung verlierst, helfen Dir Landmarken, die Situation neu einzuordnen. Hast Du Schwierigkeiten, deine Landmarken ausfindig zu machen, dann versuche, zur nächsten Anhöhe zu gelangen.

Fazit: Bewahre die Ruhe und vertraue auf deine Fähigkeiten

Orientierung beim Wandern

© Timo Wehrmann

Wer beim Wandern oder Trekking die Orientierung verliert, fühlt sich im ersten Moment verloren und eventuell kommt Panik auf. Hier ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren und tief durchzuatmen. Denn nur mit einem kühlen Kopf, kannst Du die richtigen Entscheidungen treffen.

In diesem Fall ist es sehr hilfreich, eine Karte im Gepäck zu haben oder die von mir in diesem Artikel beschriebenen Möglichkeiten der Orientierung ohne technische Hilfsmittel zu kennen. Abgesehen davon können dir Techniken zum Überleben in der Wildnis ein Gefühl der Sicherheit geben.

Wichtiger Hinweis: Bei Wanderausflügen in besonders abgelegene Gebiete, solltest du auf jeden Fall einen PLB (Personal Locator Beacon) bei dir tragen.

Hierbei handelt es sich um ein kleines und leichtes Gerät, das im absoluten Ernstfall ein Notrufsignal absetzen kann.

Bei meiner Wanderung auf dem Te Araroa Trail in Neuseeland hat mein PLB mir (und meiner Familie zuhause) ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Beim Wandern sollte schließlich der Spaß und das sorgenfreie Erleben der Natur im Mittelpunkt stehen.

Wenn der Artikel Dir gefallen hat und Du mehr über mich erfahren möchtest, dann schau gerne mal auf meinem Blog „Abenteurer Outdoor“ vorbei.

Quellenangaben:
(1) Erfindung Grundprinzip des Kompass
(2) Die Navigationshilfen der Wikinger
(3) Polartag- und Nacht
(4) Fixsterne

Veröffentlicht von

Mein Name ist Jens und ich bin ein absoluter Outdoor-Enthusiast: Wandern und Trekking bedeutet für mich, die Natur hautnah mit allen Elementen erleben – egal ob bei Sonnenschein, Regen oder Schnee. Mich zu bewegen, Neues zu erkunden und mich den Herausforderungen der Natur zu stellen, sind für mich ein idealer Ausgleich zum Alltag.

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